Als Mitglied des Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) möchten wir gerne eine Pressemitteilung zum 10-jährigen Bestehen des AGG teilen:
10 Jahre Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Es wird Zeit für den nächsten Schritt.
Zehn Jahre nach Verabschiedung des AGG hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) heute eine breit angelegte Evaluation des Gesetzes vorgelegt. Dazu erklärt Daniel Bartel, Geschäftsführer des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland (advd):
„Zehn Jahre nach Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist es an der Zeit, seine Wirksamkeit zu diskutieren und das Gesetz weiterzuentwickeln. Die Evaluation der ADS bietet dafür eine sehr gute Grundlage. Zugleich müssen für einen wirksamen Diskriminierungsschutz endlich auch flächendeckend kompetente Beratungs- und Unterstützungsstrukturen entstehen.
Das AGG ist eine Zäsur in der Entwicklung des Diskriminierungsschutzes in Deutschland: Vor allem für die Lebensbereiche Arbeit und Güter/Dienstleistungen ist eine wichtige Rechtsgrundlage geschaffen worden, die die Position von Diskriminierung Betroffener stärkt und das gesellschaftliche Selbstverständnis spürbar beeinflusst hat. Mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine gesetzlich verankerte Institution mit der Umsetzung beauftragt worden.
Gleichzeitig sind, wie Studien und unsere Beratungspraxis belegen, Diskriminierungserfahrungen in Bewerbungsprozessen, am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche, in der Schule, im Umgang mit Behörden aber auch beim Abschluss von Versicherungen oder Bankverträgen nach wie vor eine gesellschaftliche Realität. Das hat auch mit der konkreten Ausgestaltung und Umsetzung des AGG zu tun.
Ein Gradmesser für den Erfolg des AGG ist, ob es im Alltag der Betroffenen ankommt und sie in konkreten Situationen ermutigt und dabei unterstützt, ihr Recht auf Gleichbehandlung einzufordern. Hier gibt es nach wie vor deutlichen Nachbesserungsbedarf.
Dieser betrifft einerseits die in der Evaluation benannten Regelungslücken, Einschränkungen und problematischen Ausnahmen des Gesetzes wie zum Beispiel die engen Fristen, die Sonderregelungen für Einrichtungen religiöser Träger und die faktische Ausklammerung des Bildungsbereiches. Diese Probleme erleben wir als Berater_innen in unabhängigen Antidiskriminierungsberatungsstellen regelmäßig in unserer Arbeit an konkreten Fällen.
Andererseits sind selbst die besten Gesetze alltagsfern. Dies bezieht sich sowohl auf das Wissen von Betroffenen um die spezifischen Inhalte und Regelungen, als auch auf die Form, in der sie im Alltag Lösungen für Konflikte suchen. Der Weg der Klage liegt vielen fern und ist mit erheblichen Unsicherheiten und Belastungen verbunden. Damit das AGG (trotzdem) wirksam werden kann, braucht es gut zugängliche, vertrauensvolle und kompetente Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, die die gesetzlichen Grundlagen mit der Lebenswelt, den Erwartungen und Kompetenzen der Betroffenen zusammenbringen und diese in ihren Entscheidungsprozessen und Handlungen kontinuierlich begleiten. Bundesweit sind diese Angebote auch zehn Jahre nach Verabschiedung des AGG nur punktuell vorhanden. So stehen Betroffene mit der Aufgabe, in ihrem konkreten Fall – aber auch gesellschaftlich – Veränderungen zu bewirken, zu oft allein.
In der dringend notwendigen Diskussion um die Weiterentwicklung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes in Deutschland muss die Perspektive der Betroffenen und der Zugänglichkeit des Gesetzes für die, die es schützen soll, systematisch mitgedacht werden.“
Ansprechpartner:
Daniel Bartel (Geschäftsführer – advd): 01577-5751479
Die Antidiskriminierungsstelle erhob mit einem Expertenteam eine Evaluation, um Verbesserungsmaßnahmen zu entwickeln.
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